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Werte und Schule

 

„[Die Geltung von Werten] unterscheidet sich von der Geltung mathematischer und physikalischer Gesetze dadurch, dass sie als handlungsbestimmend gedacht wird: Werte, die gelten, werden nicht einfach wie mathematische oder physikalische Gesetze zur Kenntnis genommen, sondern sie bewirken bestimmtes Handeln (oder auch bewussten Handlungsverzicht), eine bestimmte Art des Lebens.“

(Sommer, 2016)

Eine gute Nachricht. Mit Werten bewirken Lehrkräfte also, dass Schülerinnen und Schüler das Richtige tun. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Im Lern- und Lebensraum Schule müssen Werte thematisiert und für die Schulgemeinschaft geklärt werden. Der Bedarf an Werteklärung, Werteerziehung und Wertebildung potenziert sich aktuell noch vor dem Hintergrund einer immer digitaler werdenden Welt, in der Werte nicht selten mit Füßen getreten werden.

Werte sind in der Praxis wirksamer als Grundsätze, Prinzipien oder Pflichten, weil sie nicht vorgegeben sind, sondern in der eigenen Auseinandersetzung mit Wertefragen gebildet und verinnerlicht werden und deshalb mit hohem inneren Antrieb verfolgt werden. Werte dienen dem Individuum zum einen zur Verankerung in der Gesellschaft im Sinne einer privaten Sinnstiftung, zum anderen dienen sie der Gruppenkonstitution im Sinne einer sozialen Sinnstiftung. Bambauer (2019) stellt fest: „Wer subjektiv nichts wert- oder geringschätzt, wird sich zwischen mehreren Handlungsoptionen kaum entscheiden können und wer keine objektiven oder zumindest transsubjektiv gültigen Werte achtet, wird gegebenenfalls nicht als moralfähiger Akteur anerkannt“.

Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen, die sich in der Gesellschaft zurechtfinden und sich für diese einsetzen, ist ein Kernziel von Bildung. Junge Menschen brauchen einen festen Kompass für ihr Handeln, sie brauchen Werte. Für die schulische Praxis sind zwei Ansätze der Wertebildung besonders wirksam:   

· der handlungsorientierte Ansatz: Wertebildung findet durch eigenes Handeln der Schülerinnen und Schüler unter pädagogischer Anleitung statt. Wenn Jugendliche bei Unterrichtsprojekten bedürftigen Nachbarn helfen, ein inklusives Sportfest durchführen oder im Sinne des Service Learnings einen Computerkurs für Senioren anbieten, dann werden Werte wie Hilfsbereitschaft, Eigenverantwortung, Gleichheit und Respekt für junge Menschen erfahrbar.  

· der Vorbild-Ansatz: Vorbildlernen findet hauptsächlich durch Lernen am Modell statt. Wenn eine Lehrkraft von Schülerinnen und Schülern Höflichkeit und Respekt erwartet, muss sie selbst mit gutem Beispiel voran gehen und den Schülerinnen und Schülern respektvoll begegnen. Das Grüßen im Schulhaus gehört ebenso dazu wie das Ernstnehmen von Schülerfeedback. Eine wertschätzende Lehrerpersönlichkeit ist daher besonders wichtig, weil der Lebensraum Schule mehr als andere Räume die Möglichkeit einer reflektierten und bewussten Wertetransmission bietet. Ein bloßes Sehen und Nachahmen ist im Gegensatz dazu nicht nachhaltig.

Der entscheidende Lernmechanismus bei der Wertebildung ist biographisches Erfahrungslernen, weshalb der Schule neben dem Elternhaus eine entscheidende Funktion zukommt. In der Schule passiert Werteerziehung meist ungesteuert, durch das Vorbild von Lehrkräften, den Einfluss der Peer Group und Ereignisse, die moralisches Handeln fordern. Folgende Bereiche begünstigen nach Schubarth (2019) als indirekte Formen der Wertebildung die Bildung gewünschter Werthaltungen:

Schulstruktur: Ist Chancengleichheit gegeben? Welche Selektions- und Integrationsmechanismen charakterisieren die Schule?

Sozialklima: Gibt es ein (den Schulfamilienmitgliedern bekanntes) Leitbild? Werden Regeln bewusst entwickelt und „gelebt“?

Lernkultur: Gehen Lehrkräfte wertschätzend mit den Schülerinnen und Schülern um? Ist Schülerpartizipation gewollt und wird sie gefördert?

Lehrerpersönlichkeit: Agiert die Lehrkraft als positives Vorbild? Gibt es einen Wertekonsens im Kollegium?

Kooperationsnetzwerk: Findet eine wertebildende Elternarbeit statt, beispielsweise mit einer KESCH-Gruppe? Arbeitet die Schule mit externen Partnern zusammen, die die Wertebildung begünstigen (z.B. Jugendhilfe, Gesundheitsamt, Kirche, Vereine)?

Um die Bildung gewünschter Werthaltungen intensiv zu fördern, ist auch die Bereitstellung entsprechender pädagogischer Lerngelegenheiten von großer Bedeutung. Schubarth (2019) spricht dabei von direkten Formen der Wertebildung und liefert in seinen Modellen mögliche Bereiche, die dafür genutzt werden können: Dazu gehören spezielle Werteprogramme (z.B. Wertetage oder Jahresthemen) und soziale Projekte. Sollen diese eine nachhaltige Wirkung entfalten, müssen sie allerdings mit indirekten Formen der Wertebildung verknüpft sein, da sie sonst verpuffen. Im Idealfall trägt eine wertebasierte Schulentwicklung dazu bei, dass der Schulalltag von Wertschätzung, respektvollem Miteinander und Engagement gekennzeichnet ist.

Wie direkte Formen der Wertebildung gelingen können, zeigen viele gute Beispiele in diesem Portal.

 

Für beide Formen der Wertebildung, indirekt und direkt, liefert dieses Portal zahlreiche Anregungen mit guten Beispielen aus dem Unterricht und aus Projekten sowie mit theoretischen und praktischen Ausführungen zur wertebasierten Schulentwicklung und guten Beispielen dafür.

Vieles, was an Schulen im Bereich Werteerziehung stattfindet, wird nicht immer als solche bezeichnet: Weitere fächerübergreifende Ziele hängen meist eng mit Werteerziehung zusammen, beispielsweise soziales Lernen, sprachliche Bildung und politische Bildung. Vieles, was an Schulen unter den Stichworten Gewaltprävention, partizipatorisches Lernen, Friedenserziehung, Demokratiebildung, Mobbingprävention u. Ä. geschieht, ist eigentlich Wertebildung. Auch haben sich im Zuge der Kompetenzorientierung wertebezogene Ziele immer stärker ausdifferenziert, zum Beispiel in soziale, demokratische und moralische Kompetenzen. Deshalb gibt es viele Begriffe für das, was im Sinne einer Persönlichkeitsentwicklung der bayerischen Schülerinnen und Schüler von großer Bedeutung ist: die Werteerziehung.

Ob Wertebildung exakt als solche bezeichnet wird, ist nicht entscheidend, denn „Werte sind, insofern sie realisiert werden – insofern Menschen ihnen denkend, redend und handelnd Wirklichkeit verleihen“ (Sommer, 2016).

Das ist die Aufgabe von Lehrkräften. Sie müssen Werte vordenken, vorreden, vormachen und vorleben.