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Werte 4.0 – Wertebildung in der digitalen Welt

 

„Zum Wert der Freiheit gehört auch, das Richtige wollen zu können; zu wissen, wozu man seine Freiheit sinnvoll einsetzt. […] Die Kunst, die eigene Freiheit gut zu nutzen, will gelernt und geübt sein. Dazu muss man sich in der Fähigkeit schulen, die Wertigkeit in den Dingen zu erkennen. Diese Sensibilität im digitalen Zeitalter zu erlernen ist besonders schwer, denn das Internet tendiert mit seinen Echokammern und Filterblasen dazu, uns mit einseitigen Trugbildern zu verführen.“

„Wir sind in ein digitales Dorf eingezogen, in dem jeder jeden irgendwie beobachtet und Verhalten mehr denn je zu Tratsch führt und auf die Goldwaage gelegt wird.“

(Spiekermann, 2019)

 

Digitalisierung betrifft alles und alle – auch und vor allem Schule!

Die Digitalisierung ist nicht nur in politischen und vor allem bildungspolitischen Diskussionen in aller Munde, sie überlagert unser Leben inzwischen derartig intensiv, dass sie auch die Grundfesten unseres Lebens betrifft. Die Welt der Kinder und Jugendlichen – und damit auch die Faktoren, die ihre Entwicklung und Meinungs- sowie Wertebildung beeinflussen – hat sich im letzten Jahrzehnt dramatisch verändert: Medien sind zu einer zentralen Informations- und Sozialisationsinstanz geworden. Zwar spielen Kinder und Jugendliche auch viel online, in erster Linie werden digitale Medien aber zur Kommunikation, Informationsbeschaffung sowie zum Streamen von Musik und Videos genutzt. Außerdem zeigt beispielsweise die Shell-Studie 2019, dass sich die deutliche Mehrheit der Jugendlichen heute online über Politik informiert – und zwar sowohl auf Nachrichten-Websites und News-Portalen (20 %) als auch in Social Media und Messenger Apps (14 %) oder auf YouTube (9%). Deshalb müssen wir uns, insbesondere auch aus der Perspektive der Unterrichtenden, mit der Digitalisierung auseinandersetzen und klären, inwiefern sie neben technischen Neuerungen und angenehmen Alltagserleichterungen auch Veränderungen für unser Zusammenleben und unsere Werte mit sich bringt.

Alles easy für die „Jungen“ – von wegen!

Laut DIVSI-Studie (2018) geben 99% aller 14- bis 24-Jährigen an, täglich online zu sein, gleichzeitig „sehen [sie] sich insgesamt eher als Getriebene denn als Gestalter einer digitalen Transformation und betonen, dass Internetnutzung häufig keine freie Entscheidung sei, sondern Grundvoraussetzung, um teilhaben zu können (im Freundeskreis, in der Schule, im Studium, im Beruf)“. Außerdem geben 41 Prozent der Jugendlichen an, Angst davor zu haben, dass vieles in Zukunft nur online erledigt werden kann – 2014 waren dies nur 21 Prozent (vgl. DIVSI-Studie 2018). Besonders alarmierend im Kontext Schule ist, dass die unter 25-Jährigen angeben, nur 18% von dem, was sie über das Internet bzw. Internetnutzung wissen, von Lehrkräften gelernt zu haben, 71% dagegen durch eigene Erfahrung. Letzteres birgt gerade hinsichtlich der Wertebildung immense Gefahren: In sozialen Medien werden Meinungen und Interpretationen durch scheinbar vertrauenswürdige Personen präsentiert und in vielen Fällen ist die Unterscheidung zwischen Realität und Marketing oder Meinungsmache nicht einfach. Hinter einer Influencerin oder einem Influencer auf Instagram steckt oft ein professionelles Team und eine Marketing- sowie Aufmerksamkeitsbindungsstrategie, was gerade den jungen Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund der scheinbaren Authentizität, der Täuschung durch visuell ansprechende Ästhetik und vermittelter Glaubwürdigkeit nicht immer bewusst ist. Der Einfluss kann sehr groß sein, wenn den Jugendlichen ein stabiles Wertefundament und ein Unterstützungssystem in ihrem sozialen Umfeld fehlen. Umso wichtiger ist eine gute medienerzieherische und medienethische Bildung in der Schule.

 

 

Digitalisierung – Chancen und Risiken

In Digitale Ethik beschreibt Sarah Spiekermann (2019), dass das Digitale „Stärken und Schwächen [hat], die Wechselwirkungen mit unseren Werten haben“. Dies wird uns täglich vor Augen geführt: Einerseits ermöglichen digitale Medien beispielsweise die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Arabische Frühling zu Beginn der 2010er Jahre, bei dem unterdrückte gesellschaftliche Gruppen über das Internet an politischen Prozessen teilhaben und Onlinetools für ihren Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung nutzen konnten. Andererseits sind gerade die sogenannten sozialen Medien Brutstätten für Hate Speech, Fake News, Ausgrenzung, Cybermobbing und Meinungssteuerung. Sarah Spiekermann argumentiert in diesem Zusammenhang damit, dass wir „in ein digitales Dorf eingezogen [sind], in dem jeder jeden irgendwie beobachtet und Verhalten mehr denn je zu Tratsch führt und auf die Goldwaage gelegt wird“. Abgesehen davon zeigen zahlreiche Studien, dass wir als Gesellschaft erst einen gemeinsamen Weg finden müssen, um uns sicher und kompetent in diesem „digitalen Dorf“ zu bewegen.

Medien und Werte müssen zusammen gedacht werden!

Christa Gebel und Swenja Wütscher erläutern in Social Media und die Förderung von Werte- und Medienkompetenz Jugendlicher (2015), dass Medien- und Wertekompetenz eng miteinander zusammenhängen, da in einer mediatisierten Gesellschaft „Partizipationsmöglichkeiten für Jugendliche eine förderliche Bedingung für die Ausbildung von Wertekompetenz“ darstellen. Social-Media-Angebote helfen den Heranwachsenden, sich mit ihrer Peer Group zu vernetzen und Zugang zu massenmedialen, oft interaktiven Informations- und Unterhaltungsangeboten zu finden. Dabei müssen Jugendliche Bewertungen von Handlungen im Internet vornehmen und ihr eigenes Handeln im digitalisierten Lebensraum ethisch-kritisch reflektieren, um in einem Raum agieren zu können, der im Zuge der digitalen Transformation stetig an Bedeutung gewinnt. Dies erfordert ein hohes Maß an Kenntnissen und Orientierung, zu dem die Schule als zentraler Lern- und Lebensraum der Heranwachsenden beitragen muss.

Dies kann vor allem dann gelingen, wenn Werte und Medienkompetenz auch in der Organisation der schulart- und fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele (FÜZ) gemeinsam gedacht werden und Eingang in eine wertebasierte Schulentwicklung finden. Für die Erstellung eines Medienkonzeptes ist dies bewusst vorgesehen: Neben Basiskompetenzen gehören zu den Medienkompetenzbereichen „Suchen/Verarbeiten“ und „Produzieren/Präsentieren“ auch die Bereiche „Kommunizieren/Kooperieren“ und „Analysieren/Reflektieren“, in denen Werte eine essentielle Rolle spielen.